Öffentliche Vortragsreihe

Rahmenprogramm zur Sonderausstellung "Schweizer Polarforschung – Swiss Camp"
5. September bis 14. November 2017

Jeweils dienstags um 18.15 Uhr im NO C-Stock (Sonneggstrasse 5).
Eintritt frei

*Vortrag auf Englisch

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Martha Cerny

Vergrösserte Ansicht: Bild: Severin Nowacki
Bild: Severin Nowacki

Museum Cerny Inuit Collection, Bern

 

Welche Rolle spielen traditionelles Wissen und mündliche Überlieferungen bei wissenschaftlichen Arbeiten und Projekten?

Die Arktis ist ein Hotspot der internationalen Klimaforschung. Der Zusammenhang zwischen globaler Klimaveränderung und Abschmelzen der polaren Eismassen hat die breiten Medien erreicht. Die indigenen Bewohner dieser exponierten, unwirtlichen Weltregionen sind die direkt betroffenen Menschen, welche nur dank ihrer feinen Beobachtungsgabe von Naturphänomenen und ihrer Innovationsfähigkeit ihr Überleben sichern konnten. Sie sind, wenn wir so wollen, die ersten Polarforscher, und ihr Wissen findet zunehmend Interesse, was zu einem regen Austausch zwischen Forschern und Vertretern indigener Völker führt.

Auch die Erfahrungen und Ergebnisse der indigenen Völker sind dokumentiert – sei es mündlich oder schriftlich. Zweck ihrer Aufzeichnungen und Erzählungen ist es, das Überleben zu sichern; denn sie vermitteln die Notwendigkeit im Einklang mit der Natur zu leben, und was passieren kann, wenn dies missachtet wird.

Dr. Gabriela Schaepman-Strub

Vergrösserte Ansicht: Bild: Chokurdakh / GoogleEarth
Bild: Chokurdakh / GoogleEarth

Institut für Evolutionsbiologie und Umweltstudien, Universität Zürich

 

 

Die Temperaturen in der Arktis steigen mindestens doppelt so schnell wie die globale Durchschnittstemperatur. Was bedeutet diese Erwärmung für die arktischen Ökosysteme, und wie beeinflussen Veränderungen in der biologischen Vielfalt das Klima und die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung? Und warum kann uns der Klimawandel in der Arktis auch in der Schweiz nicht kalt lassen?

Das Leben auf der Erde wird durch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Kreisläufen bestimmt. Verändert sich die Vegetation in einem Gebiet, so führen diese über den Energie-, Wasser- und Kohlenstoffkreislauf zu Rückkoppelungseffekten mit dem Boden (Auftauen des Permafrosts) und dem Klima. Wir haben diese Prozesse in einem militärischen Sperrgebiet in der sibirischen Tundra untersucht und zeigen auch anhand von Drohnen- und Satellitenaufnahmen aus dem Feld unsere Ergebnisse. Die Auswertung von Interviews mit der naturverbundenen, lokalen jakutischen Bevölkerung macht die Zusammenhänge zwischen Klima und der kleiner werdenden Vielfalt der Tiere und Pflanzen sowie den soziopolitischen Veränderungen und der schwindenden Lebensgrundlage der Jakuten deutlich.

Mithilfe interdisziplinärer Forschung möchten wir dazu beitragen, Vorhersagen zur Biodiversität, zum Klima sowie zu den Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung in der Arktis zu verbessern.

Melissa Schwab

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Bild: Melissa Schwab / ETH Zürich

Geologisches Institut, Departement Erdwissenschaften, ETH Zürich

Arktische Dauerfrostböden enthalten grosse Mengen an Kohlenstoff. Durch die Erderwärmung und das damit verbundene Auftauen der Böden wird der Kohlenstoff freigelegt und kann zu CO2 umgewandelt werden. Ein Grossteil der Böden wird jedoch von Flüssen erodiert und in den Arktischen Ozean transportiert. Welche Rolle spielen arktische Flüsse im globalen Kohlenstoffkreislauf?

Um diese Frage zu beantworten, untersuchen wir die Verweildauer und den Transport von organischem Kohlenstoff im grössten Sedimentlieferanten zum Arktischen Ozean, dem kanadischen Fluss Mackenzie. Und es zeigt sich: Arktische Flüsse sind unsere Freunde in Zeiten des Klimawandels, denn sie transportieren den Kohlenstoff aus den Böden in die sicheren Meeresbecken des Arktischen Ozeans,  wo er in Sedimenten langfristig gespeichert wird.

Meteorologische Aspekte der aktuellen Polarforschung

Vergrösserte Ansicht: Bild: Pascal Graf / ACE Expedition
Bild: Pascal Graf / ACE Expedition

 

Prof. Dr. Heini Wernli,
Iris Thurnherr

Institut für Atmosphäre und Klima (IAC), ETH Zürich

Das Wetter in den Polarregionen ist sehr unbeständig und stark beeinflusst durch die Gegensätze zwischen offenem Meer, Meereis, Gletschern und hohen Gebirgen. Um es besser zu verstehen, arbeiten wir u.a. an der Vorhersage von polarem Extremwetter.

  • Warum kommt es, wie zu unseren Eisheiligen, immer wieder zu Temperaturstürzen, und welche Rolle spielt dabei der Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre?
  • Wie entwickeln sich die polaren Eisschilder?

Der Vortrag gibt einen allgemein verständlichen Einblick in die Forschung und stellt vor, was ETH Forschende in diesem Jahr im Rahmen einer internationalen Schiffsexpedition in die Antarktis herausgefunden haben.

Prof. Dr. Fabian Walter

Vergrösserte Ansicht: Bild: Evgeny Podolskiy / J-ARC Net
Bild: Evgeny Podolskiy / J-ARC Net

Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), ETH Zürich

Moderne Seismometer können heutzutage in Gegenden unseres Planeten eingesetzt werden, die bis vor kurzem für Seismologen praktisch unzugänglich waren. Ein prominenter Fall ist die "Kryosphäre", also jene Gegenden der Erde, welche Wasser im gefrorenen Zustand beherbergen (Meereis, Inlandeis, Gebirgsgletscher etc.). In den letzten Jahren haben seismische Studien gezeigt, dass Gletscher, Eisschilde, Eisströme und Eisberge eine Reihe von seismischen Signalen auslösen, welche zuvor vollkommen unbekannt waren. Diese Signale haben in der Glaziologie zu Entdeckungen von Prozessen geführt, welche mit herkömmlichen Messmethoden nie erfasst wurden.

In diesem Vortrag zeigen wir die Bandbreite der seismischen Geräuschkulisse im ewigen Eis. Die Reise führt uns von den vertrauten Alpengletschern über die mächtigen Eisströme der Antarktis bis hin zu den Kalbungsfronten Grönlands, wo häufig Eisberge mit dem Volumen des Bielersees innerhalb weniger Minuten vom Eisschild abbrechen und ins Meer schwimmen. Vieles über die seismische Aktivität von Gletschereis ist noch nicht verstanden, allerdings ist jetzt bereits klar, dass die Kryosphäre seismologisch gesehen alles andere als ein ruhiger Ort ist.

Guillaume Jouvet

Vergrösserte Ansicht: Bild: Martin Funk / ETH Zürich
Bild: Martin Funk / ETH Zürich

Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), ETH Zürich

In den Polarregionen gibt es viele Gletscher, die in Ozeanen enden und in diese abbrechen ("kalbende Gletscher"). In Grönland ist der Kalbungsvorgang an der Front der Eisströme für etwa die Hälfte der Gletscherschmelze verantwortlich. In der Antarktis hingegen ist das Kalben der dominante Abschmelzmechanismus. In den letzten Jahrzehnten sind fast alle antarktischen Gletscher dünner geworden und haben sich markant zurückgezogen.

Der Vortrag zeigt, wie Glaziologen arbeiten und stellt auf anschauliche und unterhaltsame Weise dar, wie ein Gletscher kalbt und was die Konsequenzen dieses zunehmend wichtigen Abschmelzvorganges sind, der einen grossen Einfluss auf den globalen Meeresspiegelanstieg hat.

Der Vortrag ist auf Englisch.  

Prof. Dr. Konrad Steffen

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Bild: Konrad Steffen / WSL

Eidgenössisches Institut für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf

Das grönländische Eisschild hat während des letzten Jahrzehnts zunehmend Eis verloren. Der aktuelle Eisverlust in Grönland entspricht einem globalen Meeresspiegelanstieg von ca. 1 mm pro Jahr. Zählt man das Schmelzen der Eisschilder in Grönland und der Antarktis, aller Gletscher auf den Kontinenten sowie die thermische Expansion der Meere zusammen dürfte im Jahr 2100 der globale Meeresspiegel bis zu einem Meter höher liegen als heute – wobei auch grosse regionale Unterschiede auftreten werden.

Die mittleren jährlichen Lufttemperaturen auf dem grönländischen Eisschild haben sich seit 1991 um vier Grad erhöht. Auch die Schneeschmelze hat stark zugenommen, was zu einem erhöhten Schmelzwasserfluss in Richtung Küste führte. Neue Erkenntnisse weisen darauf hin, dass über unterirdische Kanäle und Hohlräume, die z.T. bis unter das Eisschild reichen, Schmelzwasser abfliesst; wir haben diese Kanäle mir Radar und Videokameras und Gummienten aufgespürt.

Dr. Martin Schneebeli

Vergrösserte Ansicht: Bild: Martin Schneebeli / WSL
Bild: Martin Schneebeli / WSL

Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF), WSL, Davos

Die fast unendliche Formenvielfalt der aus der Atmosphäre fallenden Schneekristalle ist wohlbekannt. Das "Altern" des Schnees, die sogenannte Schneemetamorphose, wurde bisher weniger beachtet. Doch Laborexperimente, in denen die zeitliche Entwicklung der Schneekristalle mittels Computertomographie gemessen wird, zeigen ein sehr dynamisches Bild: Häufig wandelt sich eine ganze Schneedecke innerhalb weniger Tage vollständig um. Diese Prozesse wirken sich nicht nur auf den Schnee aus, sondern auch auf den Boden, auf dem er liegt, auf das Meereis und die Atmosphäre.

Der Vortrag zeigt die Umbildungsprozesse mithilfe von Computeranimationen und erklärt die vielfältigen Auswirkungen der Schneemetamorphose auf die Bildung des polaren Eises sowie die Wechselwirkung der eisbedeckten Landmassen mit den umgebenden polaren Ozeanen.

Dr. Gregory de Souza
Marie Skłodowska-Curie Research Fellow

Vergrösserte Ansicht: Bild: Noé Sardet, Parafilms / EPFL
Bild: Noé Sardet, Parafilms / EPFL

Institut für Geochemie und Petrologie, ETH Zürich

 

Jeder von uns braucht das Spurenelement Zink – Kinder, um zu wachsen; Erwachsene, um gesund zu bleiben. Bei den einzelligen Algen im Ozean ist es nicht anders: Ohne Zink können sie keine Photosynthese betreiben. Diese marine Photosynthese ist nicht nur die Grundlage für die ganze Nahrungskette des Ozeans, sondern produziert auch die Hälfte des atmosphärischen Sauerstoffs, den wir zum Überleben brauchen.

Die marinen Algen stehen aber vor einem Problem. Im sonnenbeschienenen Oberflächenwasser, wo viel Licht für die Photosynthese vorhanden ist, gibt es nur kleinste Mengen an Zink: Auf einen Kubikmeter Wasser kommen etwa 10 Mikrogramm. Um einen Teelöffel Salz so stark zu verdünnen, bräuchte man 300 Schwimmbäder der Grösse des City-Hallenbads! Nur in einer Region des Weltozeans gibt es Zink in Hülle und Fülle – im Südpolarmeer um die Antarktis herum, wo starke Winde nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche treiben. Hier gedeihen Diatomeen – zu Deutsch Kieselalgen – die das vorhandene Zink reichlich aufnehmen.

Forscher am D-ERDW der ETH Zürich haben kürzlich gezeigt, dass diese Zinkaufnahme im fernen Südpolarmeer Auswirkungen auf die Verteilung des lebenswichtigen Mikronährstoffs in allen Weltmeeren hat. Im Vortrag werden die globalen Zusammenhänge diskutiert, und es wird der Frage nachgegangen, wie diese winzigen Einzeller ihren Einfluss über die Weltozeane hinweg ausüben.

Adam Hasenfratz

Vergrösserte Ansicht: Bild: Adam Hasenfratz / ETH Zürich
Bild: Adam Hasenfratz / ETH Zürich

Abteilung Klimageochemie, Geologisches Institut, Departement Erdwissenschaften, ETH Zürich

Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre ist ein wichtiger Faktor beim Klimawandel, da es die Temperaturen auf der Erde beeinflusst. Bereits vor 40 Jahren belegten Messungen in Eisbohrkernen aus der Antarktis, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre während der Eiszeiten niedriger war als heute. Mit unserer Forschung möchten wir herauszufinden, welche Rolle die polaren Ozeane bei der Veränderung der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre spielen.

Es hat sich gezeigt, dass die biologische Aktivität von Kleinstlebewesen im Meer in Kombination mit der Ozeanzirkulation auf den Austausch von CO2 zwischen Ozeaninnerem und Atmosphäre einen grossen Einfluss hat. Das Verständnis der komplexen heutigen Prozesse hilft uns dabei, Klimaänderungen bis zu einer Million Jahre vor heute zu verstehen. Dazu untersuchen wir Meeresablagerungen aus dem Südpolarmeer und die darin enthaltenen Überreste der Kleinstlebewesen. Die Ergebnisse erlauben uns eine Vorhersage über mögliche Auswirkungen der globalen Erwärmung auf das Südpolarmeer und den zukünftigen Kohlenstoffkreislauf zu treffen.

Prof. Hubertus Fischer

Vergrösserte Ansicht: Bild: EPICA
Bild: EPICA

Klima- und Umweltphysik, Physikalisches Institut & Oeschger Zentrum für Klimaforschung, Universität Bern

Seit rund 50 Jahren betreibt die Universität Bern zusammen mit ihren internationalen Partnern Eisbohrkernforschung in der Antarktis und in Grönland, um das Klima der Vergangenheit, aber auch die heutigen Veränderungen der polaren Eismassen zu dokumentieren. Einzigartig dabei ist die Möglichkeit anhand kleinster im Eis eingeschlossener Luftblasen die Zusammensetzung der Atmosphäre in der Vergangenheit und so deren Treibhausgaskonzentration zu messen. Die Klima- und Umweltphysik der Universität Bern gehört dabei weltweit zu den führenden Gruppen solcher Treibhausgasstudien. Der Anfang war nicht immer leicht und nur der Hartnäckigkeit der Eisbohrkernpioniere ist es zu verdanken, dass wir heute über eine Vielzahl von einzigartigen wissenschaftlichen Ergebnissen aus Eisbohrkernen verfügen.

Der Vortrag zeigt anhand vieler Bilder wie es dazu kam und was es bedeutet, an den kältesten Orten unserer Erde einen Eiskern zu bohren. Er präsentiert eine Auswahl bedeutender wissenschaftlicher Ergebnisse der Eisbohrkernforschung und was diese für unser Klima bedeuten: u.a. die Treibhausgasgeschichte der letzten 800'000 Jahre, die Möglichkeit schneller Klimaschwankungen oder die Rekonstruktion von Ozeantemperaturen.

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